Lesen – Teil 2: Leseverstehen (Multiple Choice)
Lesen Sie den Text und beantworten Sie die Fragen 11–20. Pro Frage ist nur eine Antwort richtig.
Frage (0) ist ein Beispiel.
Immer mehr Städte weltweit setzen auf erneuerbare Energien, um den steigenden Energiebedarf zu decken und gleichzeitig den Klimawandel einzudämmen. Großstädte sind für rund 70 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs verantwortlich, und ihre Entscheidungen haben daher enorme Auswirkungen. Ein zentraler Ansatz besteht darin, städtische Infrastrukturen so umzubauen, dass sie sowohl effizienter als auch nachhaltiger funktionieren.
Besonders in Europa und Asien entstehen immer mehr sogenannte „Smart Cities“. Diese Städte integrieren digitale Technologien in ihr Energiesystem. Intelligente Stromnetze, sogenannte Smart Grids, können den Energiefluss in Echtzeit überwachen und anpassen. So wird beispielsweise überschüssiger Solarstrom tagsüber in Batteriespeichern gesichert und abends dann verbraucht. Studien zeigen, dass dadurch der Strombedarf einer Großstadt zu Spitzenzeiten um bis zu 20 Prozent gesenkt werden kann.
Auch die Windenergie spielt eine wichtige Rolle. Während große Windparks auf dem Land oder im Meer bekannt sind, setzen einige Städte inzwischen auf kleinere Windturbinen, die direkt in Wohngebieten installiert werden. Diese sind zwar weniger leistungsstark, tragen aber zur dezentralen Energieversorgung bei. Kritiker verweisen allerdings auf die Lärmbelastung und mögliche Gefahren für Vögel. Befürworter betonen dagegen, dass gerade in dicht besiedelten Regionen jede zusätzliche Kilowattstunde aus erneuerbaren Quellen zählt.
Ein weiterer Trend ist die Nutzung von Biomasse. Abfälle aus Haushalten oder von Lebensmittelbetrieben werden gesammelt und in speziellen Anlagen zu Biogas verarbeitet. Dieses Gas kann sowohl zur Stromerzeugung als auch zum Heizen genutzt werden. In Stockholm deckt Biogas bereits einen erheblichen Teil des öffentlichen Nahverkehrs ab: Viele Busse fahren dort ausschließlich mit dieser Energieform.
Nicht zu unterschätzen ist auch die Rolle von Gebäuden. Da sie in Städten den größten Energieanteil verbrauchen, zielen viele Projekte darauf ab, Häuser energieeffizienter zu machen. Moderne Dämmstoffe, intelligente Heizsysteme und Solarpaneele auf Dächern sind inzwischen Standard in Neubauten. In Singapur geht man sogar noch einen Schritt weiter: Dort sind Hochhäuser mit vertikalen Gärten ausgestattet, die nicht nur CO₂ binden, sondern auch das Mikroklima verbessern und die Temperaturen in dicht bebauten Vierteln senken.
Trotz dieser Fortschritte bleiben große Herausforderungen bestehen. Der Umbau der Infrastruktur ist teuer, und nicht alle Städte können sich die Investitionen leisten. Zudem hängt die Akzeptanz in der Bevölkerung stark davon ab, ob die Projekte sichtbar Vorteile bringen. Wenn Bürger höhere Strompreise zahlen müssen, ohne kurzfristig Verbesserungen zu spüren, wächst die Skepsis.
Ein weiterer kritischer Punkt ist die Abhängigkeit von Wetterbedingungen. Solar- und Windenergie sind naturgemäß schwankend. Um eine verlässliche Versorgung sicherzustellen, müssen Speichertechnologien noch effizienter und kostengünstiger werden. Forscher arbeiten an innovativen Lösungen, etwa Flüssigmetallbatterien, die enorme Energiemengen speichern können und dabei langlebiger sind als herkömmliche Lithium-Ionen-Batterien.
Dennoch sehen Experten die Entwicklung positiv. Zahlreiche Pilotprojekte beweisen, dass Städte ihren Energieverbrauch deutlich reduzieren können, ohne an Lebensqualität einzubüßen. Im Gegenteil: Viele Maßnahmen steigern sogar den Komfort – etwa durch bessere Luftqualität, leisere Straßen oder angenehmere Temperaturen in Gebäuden.
Langfristig könnte die Umstellung auf erneuerbare Energien auch die wirtschaftliche Attraktivität von Städten erhöhen. Unternehmen siedeln sich bevorzugt dort an, wo Energie sicher, nachhaltig und preiswert ist. Damit sind erneuerbare Energien nicht nur ein ökologischer, sondern auch ein ökonomischer Standortfaktor.
Obwohl der Weg noch weit ist, gilt die Transformation der Städte als einer der entscheidenden Schlüssel im Kampf gegen den Klimawandel. Die Frage ist weniger, ob sich die Städte umstellen, sondern vielmehr, wie schnell sie dies tun werden.
Lesen – Teil 3: Ja / Nein / Text sagt dazu nichts
Lesen Sie den Text und entscheiden Sie für die Aussagen 21–30, ob sie Ja, Nein oder Text sagt dazu nichts sind.
Die Aussagen (01) und (02) sind Beispiele.
Unter dem Schlagwort „grüner Wasserstoff“ verstehen Politik und Industrie Wasserstoff, der durch Elektrolyse aus erneuerbarem Strom erzeugt wird. Anders als „grauer“ oder „blauer“ Wasserstoff – die auf Erdgas beruhen – soll grüner Wasserstoff als klimaneutrale Option schwer zu elektrifizierende Sektoren dekarbonisieren. In Europa hat sich daraus ein Politikfeld entwickelt, in dem Infrastrukturplanung, Strommarktdesign, Industriepolitik und Handelspolitik eng miteinander verknüpft sind. Befürworter sehen in der Technologie einen Katalysator für tiefgreifenden Strukturwandel; Kritiker warnen vor zu großen Erwartungen, hohen Opportunitätskosten und dem Risiko von Pfadabhängigkeiten.
Ein zentrales technisches Nadelöhr ist die Verfügbarkeits- und Kostenstruktur erneuerbarer Energien. Elektrolyseure laufen wirtschaftlich am besten, wenn sie viele Vollbenutzungsstunden mit niedrigem Strompreis erreichen. Offshore-Wind bietet in Nordeuropa tendenziell ein gleichmäßigeres Erzeugungsprofil als Photovoltaik, während in Südeuropa hohe PV-Spitzen auftreten, aber saisonal stärkere Schwankungen. Für die Kosten pro Kilogramm Wasserstoff ist daher nicht nur der Mittelwert der Strompreise entscheidend, sondern die Koinzidenz von günstigen Preisen und hoher Verfügbarkeit über das Jahr.
Parallel dazu verfolgen viele Mitgliedstaaten Importstrategien: Wasserstoff- oder Derivatimporte (z. B. Ammoniak, Methanol) aus wind- und sonnenreichen Regionen sollen in Europa Defizite ausgleichen. Damit gehen neue Abhängigkeiten einher: geopolitische Risiken, Transportverluste und Konvertierungskosten. Insbesondere beim Schiffstransport als Ammoniak entstehen zusätzliche Umwandlungsstufen, die den Gesamtwirkungsgrad senken. Ob die Energievorteile günstiger Erzeugung die Verluste entlang der Lieferkette überkompensieren, hängt von Technologiepfad, Brennstoffpreis und künftigen CO₂-Kosten ab.
Die Infrastrukturfrage ist mehrdimensional. Kurzfristig wird geprüft, inwieweit bestehende Erdgasleitungen zu Wasserstoffleitungen umgewidmet werden können; dabei sind Materialfragen (Versprödung), Druckstufen und Einspeisemanagement zu klären. Ergänzend gewinnen Speicheroptionen an Bedeutung: Salzkavernen gelten als aussichtsreich, während Druckspeicher und LOHC-Lösungen (Liquid Organic Hydrogen Carrier) andere Kompromisse bei Dichte, Effizienz und Handhabung mit sich bringen. Gleichzeitig bleibt die Lieferkette für Elektrolyseure – inklusive Membranen, Katalysatoren und Leistungselektronik – ein Engpass, der Skalierung und Kostenpfade beeinflusst.
In der Industrie adressiert grüner Wasserstoff vor allem Prozesse, die heute fossile Energieträger stofflich nutzen: Direktreduktion von Eisenerz (DRI) als Vorstufe für „grünen Stahl“, Ammoniaksynthese, sowie ausgewählte Raffinerieprozesse. Hier sind Lernkurven, Standardisierung und serielle Anlagenfertigung zentral: Sinkende Kapitalkosten pro installierter Leistung und steigende Anlagenverfügbarkeit entscheiden darüber, ob Pilot- und Demonstrationsprojekte in den kommerziellen Maßstab wachsen.
Systemisch wirkt Wasserstoff an der Schnittstelle von Strom-, Gas- und Industriesektor. Flexible Elektrolyse kann als „Lastanker“ Überschussstrom aufnehmen, negative Preise dämpfen und Netzengpässe lokal entschärfen – allerdings nur, wenn sie tatsächlich preissensitiv und netzdienlich betrieben wird. Andernfalls verschiebt sie lediglich Nachfrage, ohne Systemkosten zu senken. Für Netzstabilität sind Standortwahl (Nähe zu Erzeugung und Verbrauch), tarifliche Anreize und Regeln zur zeitlichen Korrelation mit erneuerbarer Erzeugung maßgeblich.
Ein häufig unterschätzter Faktor ist Wasser: Für die Elektrolyse werden pro Kilogramm Wasserstoff etwa neun Liter reinen Wassers benötigt, hinzu kommen Aufbereitungs- und Verlustmargen. In wasserarmen Regionen steigt daher die Bedeutung von Entsalzung und Kreislaufnutzung. Entscheidend ist die Abgrenzung zwischen lokalem Wasserstress und „virtuellem Wasser“ in globalen Lieferketten: Verlagerte Produktion kann lokale Engpässe entschärfen – oder verschärfen –, je nach Standort und Technologie.
Sicherheits- und Umweltrisiken dürfen nicht unterschätzt werden. Wasserstoff ist hochentzündlich, diffundiert leicht und erfordert angepasste Materialien, Sensorik und Betriebsstandards. In Verbrennungsanwendungen können bei ungünstiger Auslegung erhöhte NOₓ-Emissionen auftreten; entsprechende Brennertechnologien und Regelungen sind Gegenstand laufender Normierungsarbeit. Für Pipeline-Netze und Speicheranlagen ist die Ausgestaltung einheitlicher Sicherheitsstandards und Prüfregime entscheidend, um gesellschaftliche Akzeptanz zu sichern.
Ökonomisch stellt sich die Verteilungsfrage: Wer trägt Anlaufkosten, und wie werden Lerngewinne vergemeinschaftet? Instrumente wie Carbon Contracts for Difference (CCfD) können Investitionsrisiken senken, indem sie die Differenz zwischen Marktpreis und grünen Produktionskosten teilweise absichern. Zugleich beeinflussen Stromsteuern, Netzentgelte und Umlagen die Wettbewerbsfähigkeit direkt. Ohne kohärente Politikkombination drohen Mitnahmeeffekte, Carbon-Leakage oder die Verfestigung ineffizienter Pfade.
Auf Governance-Ebene rückt die Zertifizierung in den Fokus: „Additionality“ (Zusätzlichkeit neuer Erzeugung), zeitliche Korrelation zwischen Strombezug und erneuerbarer Einspeisung sowie räumliche Nähe (Location Matching) sind zentrale Streitpunkte. Zertifikate und Herkunftsnachweise sollen Handel ermöglichen, dürfen aber keine Schlupflöcher schaffen, die faktisch fossile Erzeugung grün labeln. Unterschiede in nationalen Auslegungen erschweren bislang die Marktintegration.
Pilotprojekte liefern wertvolle Evidenz, bleiben aber kontextspezifisch: H₂-basierte Direktreduktion in Skandinavien, Import-Drehscheiben an Nordseehäfen oder Auktionsmodelle zur Beschaffung grüner Derivate zeigen unterschiedliche Wege. Ob und wie diese Ansätze skaliert werden können, hängt von Netz- und Speicherinfrastruktur, Verfügbarkeit günstiger erneuerbarer Energie und langfristigen Abnahmeverträgen ab. Frühindikatoren sind ermutigend, aber belastbare Kosten- und Zuverlässigkeitsdaten im Volllastbetrieb sind noch dünn.
Unterm Strich gilt: Grüner Wasserstoff ist weder Allheilmittel noch Randnotiz. In einem Portfolio aus Effizienz, Elektrifizierung, Erneuerbaren, Speicher und Demand-Side-Management kann er zentrale Lücken schließen – vorausgesetzt, Systemintegration, Standards und Anreize sind klug gesetzt. Die nächsten Jahre entscheiden, ob Europa Pfadabhängigkeiten zugunsten robuster, skalierbarer Lösungen etabliert – oder in Insellösungen und Friktionen stecken bleibt.